Bild anzeigen
Der Sonntagabend im Kulturlokal Meck in Frick begann kürzlich sehr angenehm. Im Schatten der Kastanienbäume, bei leichten Windstössen, die in den Blättern raschelten, war die Sommerhitze erträglich. Martin Erb begrüsste zu einem besonderen Kulturanlass mit Lesung, Gespräch und Kulinarik. Usama Al Shahmani floh 2002 wegen eines kritischen Theaterstücks in die Schweiz. Er ist 1971 in Bagdad / Irak geboren, hat arabische Sprache und Literatur studiert und publizierte bereits mehrere Bücher u.a. im Limmatverlag. In Frick las er aus seinem neuen Buch «In der Fremde sprechen die Bäume arabisch». Er wohnt heute in Frauenfeld, war aber als Flüchtling in verschiedenen Regionen der Schweiz in Unterkünften und Beschäftigungsprogrammen. So im Forstdienst, als Verträger, Hausräumer und bei Gartenarbeiten. Heute arbeitet er als Dolmetscher und Kulturvermittler und übersetzt ins Arabische. Sein Sprachtalent ist dominant. «Das Buch übernimmt die Schönheit und Poesie von Usama Al Shahmanis Muttersprache ins Deutsche und bekommt dadurch eine einzigartige Intensität», schrieb ein Zuhörer. Der Wald, den er im Irak so sehr vermisste, «ist und bleibt mein einziges Labor, in dem alle meine Experimente gelingen. Ich streue meine Buchstaben, meine Worte, meine Sprache über die Blätter und zwischen die Äste. Im Wald schaffe ich es, mir selbst zuzuhören. Der Wald ist mein einziger Tempel, in dem ich mich leichter fühle. Ich spüre, wie meine Seele sich reinigt und wie ich ein neues Herz erhalte». So setzt er gewissermassen als Final den Baum der Liebe, der Hoffnung, der Ungewissheit, des Todes, der Heimat, des Traums und der Geduld. Er schreibt von der Grossmutter, welche immer beim Sidarbaum im Park von Bagdad betete. «In schwierigen Zeiten hat sie fest geglaubt, dass die Gebete helfen, das Unerträgliche zu ertragen. Ihr Gesicht strahlte eine innere Kraft aus und wirkte auf mich wie ein Schutz gegen das Böse.» Das war nötig, denn grössere Wirrnisse als im Irak kann man sich mit dem besten Willen nicht vorstellen. Der Bruder Ali war einmal plötzlich verschwunden. Jahrelang hat die Familie nach ihm gesucht, sogar Friedhöfe und Gefängnisse abgeklopft. Usama suchte und forschte nach seiner Flucht in die Schweiz jahrelange nach ihm. Das hart verdiente Kleingeld musste er oft beim Telefonieren wieder ausgeben, denn Gespräche in die Heimat kosten… Ali blieb verschollen, aber die schwangere Schwester Luma konnte nach langen Jahren des Wartens Usama in das Telefon rufen: «Vater und Mutter haben endlich akzeptiert, dass mein noch ungeborener Sohn den Namen Ali tragen wird». Als der zweite Ali geboren wurde, wünschte die Mutter von ihrem Mann, er möge in ihrem Garten einen Sidarbaum pflanzen. – All diese Geschichten stehen vor dem tristen Hintergrund der alltäglichen Brutalität und der grossen Armut im Irak. Ein Land, das materiellen Reichtum durch riesige Bodenschätze hätte, z.B. nach Saudi-Arabien und Kanada die grössten erkundeten Erdölvorräte weltweit! Aber Usama spricht von der «Perle des Orientes», die im Hass und in der Machtwillkür zwischen den Sunniten, Schiiten und Kurden zerschellt.