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Die Tabakpolitik der Schweiz erhält schlechte Noten. 80 Länder sind untersucht worden. Die Schweiz landete dabei auf dem zweitletzten Platz. Multinationale Tabak-Konzerne hätten die Schweiz als eine Art Zufluchtsort gewählt. «Der weltweite Nettoumsatz der drei hier ansässigen Konzerne Philip Morris, British Tobacco und Japan Tobacco lag 2019 bei über 80 Milliarden Franken», meldet dieser Tage eine glaubwürdige Agentur. Ich war 20 Jahre Präsident des Vereins für Suchthilfe im Aargau. Die Beratung und Prävention wurde stetig ausgebaut. Aber der aktuelle Stand beim Tabakkonsum ist nach wie vor ernüchternd. Über 27 Prozent der Bevölkerung rauchen täglich oder gelegentlich. Also ein Viertel ab dem 15. Altersjahr. Die Männer bringen es da auf einen Anteil von 31 Prozent und die Frauen auf 23,5 Prozent. Mit zunehmendem Alter geht der Konsum deutlich zurück. Bundesrat und Parlament lehnen die Volksinitiative «Kinder und Jugendliche ohne Tabakwerbung» ab. Es wurden im letzten Sommer im Nationalrat Aussagen gemacht wie «lebensfeindliche und links-grüne Ökofundamentalisten» seien die Träger der Initiative. Von «lebensfeindlichen Gesundbetern» war die Rede. Einer der Redner ist Präsident des Schweizer Tabakwarenhandels. Wer steht denn hinter der Initiative und will mehr Jugendschutz? Es sind die Haus- und Kinderärzte, die Krebsliga, die Lungenliga und auch der Schweiz. Apotheker- und Drogistenverband. Das Bild oben zeigt die volle Präsentation von «Qualm-Produkten» in einem Verkaufshop. Die Dichte der Verkaufsstellen ist in der Schweiz zehnmal so hoch wie im Nachbarland Frankreich. Die Werbemöglichkeiten und die breite Verfügbarkeit führen zu gesundheitlichen Folgekosten. «Der Tabakkonsum verursacht in der Schweiz jährlich 9500 Todesfälle», melden die Initianten. Der Ständerat suchte nach einem Kompromiss. Er wollte den Jugendschutz ausbauen und mindestens das Werbeverbot im Internet, bei allen sozialen Medien und bei Festivals durchsetzen. Der Nationalrat wollte das nicht. Die Tabakwerbung bleibt damit genau dort platziert, wo sie das jugendliche Zielpublikum erreicht. Die Initianten erachten das neue Tabakproduktegesetz als Alibiübung. Über die Volksinitiative und den Jugendschutz wird am 13. Februar 2022 abgestimmt. Lungenfachärzte und Kardiologen zusammen mit der CH-Arbeitsgemeinschaft der Jugendverbände und dem Dachverband der Lehrerinnen und Lehrer der Schweiz stellen sich engagiert hinter die Initiative, weil jeglicher Kompromiss im Parlament gescheitert ist. Man erlebte jahrzehntelang Sitzungen und Stammtische, wo mehrheitlich geraucht wurde. Das hat sich stark verändert. Umso mehr ist man erstaunt über die nach wie vor grosse Zahl der Rauchenden. Es scheint, dass auch die stetigen Preisaufschläge nicht sehr viel brachten. Nicht einmal Packungs-Aufdrucke mit Grossbuchstaben wie «Rauchen ist tödlich» oder Warnung vor Krebs, zeigten grosse Wirkung. Umso entschlossener hätte der Hebel beim Kinder- und Jugendschutz gegen die Tabakwerbung angesetzt werden müssen.